Bericht aus Berlin (8)

16.01.2022

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde,

die Impfpflichtdebatte beschäftigt unser Land – und die Bundesregierung taucht ab. Wo ist in dieser Situation eigentlich Bundeskanzler Olaf Scholz, der im vergangenen Jahr die Diskussion um die Impfpflicht begonnen hat? Bereits bei der ersten großen Herausforderung geht die Ampelkoalition auf Tauchstation und verweigert die Arbeit. Der Hintergrund ist klar: Bei deutlicher Kritik an einer Impfpflicht aus der FDP fehlt der Ampel die Mehrheit zum Regieren. Um einem handfesten Koalitionskrach aus dem Weg zu gehen, wird jede Festlegung vermieden. Richten soll es nun das Parlament – wo Führung fehlt, sollen die Abgeordneten in fraktionsübergreifender Zusammenarbeit eine Lösung finden. Was auf den ersten Blick vorbildlich demokratisch wirkt, ist bei näherem Hinsehen ein durchsichtiges Manöver, mit dem sich die Bundesregierung aus der Zwickmühle befreien will.

Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Natürlich gehört die Entscheidung über eine Impfpflicht ins Parlament. Über einen derart schwerwiegenden Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte kann und darf ausschließlich der Bundestag entscheiden. Was sich mir nicht erschließt, ist allerdings, wie einzelne Abgeordnete – praktisch mit Bordmitteln – ein derart komplexes Gesetz verfassungsfest entwickeln und verabschieden sollen. Das ist schon in der Vergangenheit bei den Gruppenanträgen aus der Mitte des Parlaments zum Thema Sterbehilfe gründlich misslungen. Hier ist der verabschiedete Antrag vom Bundesverfassungsgericht vollständig für verfassungswidrig erklärt worden. Und bei der Impfpflicht ist die Gesetzgebung noch einmal deutlich komplexer. Das Wohl der Allgemeinheit und die seit fast zwei Jahren eingeschränkten Grundrechte vieler treffen auf Grundrechte der Impfverweigerer. Was ist dabei vertretbar und angemessen, welcher Weg ist gangbar und dabei verfassungsfest? Was ist, wenn die Omikron-Variante zwar im Sturm über Deutschland fegt, es aber bei überwiegend milden Verläufen nicht zur befürchteten Überlastung des Gesundheitswesens kommt? Ich stehe einer allgemeinen Impfpflicht als Ultima Ratio positiv gegenüber, sehe aber das Risiko, dass eine in bester Absicht gestartete Initiative aus dem Parlament krachend scheitern könnte. Nichts wäre in der derzeitigen Situation verheerender als ausufernde Debatten um eine Vielzahl von Gruppenanträgen, gefolgt von einer knappen Entscheidung, die postwendend vom Verfassungsgericht kassiert wird. Das schwierige Thema Impfpflicht braucht die Grundsatzdiskussion im Parlament. Es braucht aber auch die juristische Expertise und fachliche Zuarbeit, die nur die Regierung mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln liefern kann. Am Ende des Verfahrens steht dann hoffentlich eine ausdiskutierte, „handwerklich“ fundierte Entscheidung, die von einer breiten Mehrheit im Parlament – und in der Bevölkerung – getragen wird. An diesen Punkt werden wir allerdings nur gelangen, wenn die Regierung zu ihrer Verantwortung steht. Olaf Scholz hat einmal gesagt, dass wer bei ihm Führung bestellt, auch Führung bekommt. Ich denke, es ist höchste Zeit, dass diesen Worten Taten folgen und der Kanzler endlich liefert: Herr Scholz, einmal Führung bitte!

Die Energiepreise kennen zurzeit anscheinend nur eine Richtung: steil nach oben. Als Fachpolitiker sehe ich dabei einen klaren Hintergrund: Unsere Energiepreiskrise ist vor allem eine Gaspreiskrise. Erdgas ist derzeit ein knappes Gut und damit teuer. Gleichzeitig ist Deutschland mit seinem Ausstieg aus der Kernkraft und der Kohleverstromung sowie dem schleppenden Ausbau der erneuerbaren Energien auch für die Stromerzeugung dringender denn je auf Gas angewiesen. Abhilfe kann in diese Situation nur eine breitere Aufstellung von Bezugsquellen schaffen. Nur ein größeres Angebot sorgt für Druck auf die Preise bei gleichzeitiger Erhöhung der Versorgungssicherheit. Für mich bedeutet das in dieser Übergangsphase eine so klare wie pragmatische Zielsetzung. Deutschland muss seine Gasversorgung sichern und ausbauen. Dazu gehören neue Wege wie ein LNG-Importterminal, aber auch Nord Stream 2. Ein Außenpolitiker mag einen anderen Blick auf die Putin-Pipeline haben – als Energiepolitiker sehe ich eine fertiggestellte Leitung, die die Liefermenge erheblich vergrößern und damit dazu beitragen kann, die aktuelle Preisspirale zu durchbrechen. Zur erfolgreichen Neuausrichtung unserer Energieversorgung gehört immer auch ein großes Stück Realismus. Eine derart umfassende Transformation braucht Zeit und wird nicht ohne Kompromisse funktionieren. Das gilt vor allem auch für die finanzielle Belastung der Bürger: Wenn wir die Menschen auf dem Weg zur Klimaneutralität mitnehmen wollen, muss Energie für jeden Haushalt ein bezahlbares Gut bleiben.

Es grüßt Sie und Euch herzlich
Ihr/Euer
Mark Helfrich